Im Sommer kann überschüssiger Strom in Gas umgewandelt und für den Gebrauch im Winter gespeichert werden. Ist wie das Eichhörnchen-Prinzip: Im Sommer Nüsse vergraben, im Winter von den Vorräten zehren.
Metha

Power-to-Gas: ein wichtiges Puzzleteil der Energiewende.

Mit der Energiestrategie 2050 setzt die Schweiz auf den Atomausstieg, die Reduktion von Treibhausgasen und den Ausbau von erneuerbarer Energie wie Solar-, Wasser- oder Windkraft. Bei erneuerbarem Strom stellt sich eine zentrale Frage: Wie lässt sich die saubere Energie speichern? Denn gerade die Fotovoltaik, die künftig einen Grossteil zur erneuerbaren Stromproduktion in der Schweiz beitragen soll, liefert dann am meisten Energie, wenn die Sonne häufig scheint: im Sommer. Brauchen werden wir diese Energie jedoch vor allem im Winter. Die Empa rechnet mittelfristig mit bis zu 12.6 Terawattstunden (TWh) Überschussstrom im Sommer und bis zu 28.5 TWh Defizit im Winter.

Power-to-Gas ermöglicht die Speicherung von erneuerbarer Energie.

Ein ganzheitlicher Ansatz für diese Herausforderung ist die sogenannte Sektorkopplung: Die Energiesektoren Strom, Wärme und Mobilität werden nicht einzeln und isoliert betrachtet, sondern als Gesamtsystem. Power-to-Gas ist eine verbindende Technologie in diesem System. Aus überschüssigem erneuerbarem Strom produziertes Gas wird ins bestehende Gasnetz eingespeist und steht genau dann und dort zur Verfügung, wenn es gebraucht wird – fürs Heizen und Kochen, in der Industrie, als Treibstoff oder zur Rückverstromung, beispielsweise in sogenannten Wärme-Kraft-Kopplungsanlagen (WKK), die zugleich auch Wärme produzieren. Die saisonale Speicherung von erneuerbarer Energie und der Transfer vom Strom in den Wärme- oder Mobilitätssektor sind die entscheidenden Vorteile sogenannter Power-to-X-Technologien, zu denen auch Power-to-Gas zählt.

Das Energiesystem umbauen – mit Erkenntnissen aus dem Limeco-Projekt.

Ein gekoppeltes Energiesystem mit dezentralen, erneuerbaren Energien lässt sich jedoch nicht von heute auf morgen realisieren, sondern erfordert Investitionen in Netze und Speichertechnologien. Limeco und ihre Partner wollen aufzeigen, wie sich Power-to-Gas-Anlagen ins schweizerische Energiesystem integrieren lassen. Ziel des Projekts ist deshalb einerseits, nachzuweisen, dass die Power-to-Gas-Technologie ausgereift ist für die industrielle Anwendung. Andererseits sollen Erkenntnisse gewonnen werden, wie die regulatorischen Rahmenbedingungen aussehen müssen, damit eine Power-to-Gas-Anlage zugleich wirtschaftlich und systemdienlich betrieben werden kann.

Schritt für Schritt in Richtung Speicher

Dazu wird Limeco etappenweise vorgehen: Zunächst soll die Power-to-Gas-Anlage kontinuierlich laufen und dabei das Klärgas aus der Abwasserreinigung (ARA) und den Strom aus der Kehrichtverwertung (KVA) verwerten. Funktioniert dies, wird Limeco als nächsten Schritt testen, ob es technologisch und wirtschaftlich möglich ist, mit der Anlage die Stromproduktion in der Kehrichtverwertung (KVA) zu flexibilisieren und so netzdienliche Leistungen zu erbringen. Das bedeutet, dass Limeco den Strom aus der Kehrichtverwertung (KVA) dann direkt ins Netz einspeist, wenn er gebraucht wird, diesen hingegen der Power-to-Gas-Anlage zuführt und damit grünes Gas produziert, wenn andere Kraftwerke genug oder gar zu viel Strom erzeugen. Die Kehrichtverwertung (KVA) kann so sogenannte Regelenergie bereitstellen – eine systemdienliche Leistung, die finanziell entschädigt wird. In einem künftigen Energiesystem mit stark fluktuierender erneuerbarer Stromproduktion wird der Bedarf nach flexibel einsetzbaren Stromproduzenten und -speichern viel grösser sein als heute – ein mögliches künftiges Feld für den Einsatz von Power-to-Gas-Anlagen, wie jener von Limeco.

Ein Projekt zum Multiplizieren

Der Standort von Limeco mit Abwasserreinigung (ARA) und Kehrichtverwertung (KVA) in unmittelbarer Nähe ist ein ideales Testfeld für die Power-to-Gas-Anlage. Bewährt sich das Konzept, ergibt sich grosses Potenzial, um das Modell zu skalieren. Allein mit Power-to-Gas-Anlagen bei den 100 grössten Abwasserreinigungsanlagen (ARA) der Schweiz könnte der Energiebedarf von über 250’000 Personen (= mehrere mittelgrosse Schweizer Städte) gedeckt werden. Umgekehrt könnten Kehrichtverwertungsanlagen, die mit Power-to-Gas-Anlagen ergänzt werden, kumuliert einen wichtigen Beitrag zum Ausgleich der saisonal schwankenden Stromproduktion leisten, indem sie ihren Strom im Sommer in Form von Gas speichern und im Winter, wenn die Nachfrage gross ist, direkt ins Netz einspeisen.

Es braucht weitere Puzzleteile

Damit Power-to-Gas-Anlagen ihre Vorteile im Energiesystem der Zukunft ausspielen können, braucht es aber noch andere Elemente. Zum einen sind grosse Gasspeicher nötig, die das erneuerbare Gas im Sommer aufnehmen und im Winter ins Netz abgeben können. Zum anderen muss der regulatorische Rahmen so ausgestaltet sein, dass Power-to-Gas-Anlagen als Speichertechnologie wirtschaftlich betrieben werden können. In Dietikon entfällt die Netznutzungsgebühr, weil der Strom direkt aus der KVA bezogen werden kann. Nicht alle geeigneten Power-to-Gas-Standorte in der Schweiz haben diesen Vorteil.